24.12.2020

EHEMALIGER PFARRER SCHREIBT SEINE

LEBENSERINNERUNGEN AUF 


Rudolf Günther, Pfarrer im Ruhestand, hat ein Buch mit Lebenserinnerungen geschrieben.

Rudolf Günther ist Pfarrer im Ruhestand und hat ein Buch geschrieben. Quelle: privat

Zülichendorf. Rudolf Günther erfüllte sich mit seinem Buch „Flucht und Vertreibung um den zweiten Weltkrieg als Erinnerung für die Gegenwart und im Blick auf die Zukunft" einen lang gehegten Wunsch. Der ehemalige Pfarrer der in Ragösen lebt, leitete einige Jahre in Zülichendorf den Posaunenchor und den Chor „Märkische Stimmen".

Texte zusammengefasst

An den Texten für sein Buch hat er lange gearbeitet. Sein Amtskollege Wilfried Flach, ebenfalls Pfarrer im Ruhestand, ermunterte ihn, die Texte in einem Buch zusammenzufassen. So sollten sie nicht nur seiner Familie, sondern darüber hinaus einem größerem Kreis Interessierter erhalten bleiben. „Flucht und Vertreibung haben im vorigen Jahrhundert leider Gottes viele Menschen erleiden müssen. Darunter eben auch etwa 15 Millionen Deutsche", begründet Flach seinen Zuspruch für dieses Buch.

Die Erinnerung lebt

Bei den Nachkommen dieser Familien lebt die Erinnerung an diese Geschehnisse fort. Auf der einen Seite verblasst sie zwar von Generation zu Generation, auf der anderen Seite gibt es immer wieder Enkel und Urenkel, die genauer wissen wollen, was ihre Vorfahren erlebten. So auch im Buch von Rudolf Günther.

Der Enkel erkundigte sich bei seinem Großvater nach dessen Kindheit. Rudolf Günther verbrachte diese nicht in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, sondern auch in Polen als sogenannter Volksdeutscher. Und so fragt der Enkel auch nach den Beziehungen zu den polnischen Nachbarn, nach den schrecklichen Ereignissen im Krieg und nach der Flucht aus der Heimat. Das Interview zwischen Enkel und Großvater ist im Buch wiedergegeben. 

Historische Zusammenhänge

Der Großvater wollte seinem Enkel aber nicht nur biografische Ereignisse vermitteln, sondern das Erlebte und Erlittene in einem historischen Zusammenhang stellen. Die Historiker, auf die Günther zugriff, sagten dem Enkel jedoch nicht zu. Er empfahl dem Großvater anerkanntere Verfasser. 

Das Buch von Rudolf Günther Quelle: Margrit Hahn

Tiefergehende Informationen über die Stimmung in Polen gegen deutsche Minderheiten gibt es laut Günther kaum über die Jahre vor und während des Krieges. Deshalb meint der Enkel von Pfarrer Rudolf Günther: „Es erscheint mir wichtig, dass sich auch etablierte  Autoren dem Thema zuwenden, um gedemütigten, misshandelten und vertriebenen Menschen anerkannte Nachschlagewerte zur Verfügung zu stellen, um so zu verhindern, dass sie in den Einflussbereich von revisionistischem Gedankengut geraten. Denn nicht jeder betrachtet diese Werke so differenziert wie mein Großvater".

Das gleiche Schicksal

Rudolf Günther sagt es mit  den Worten von August Bebel: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen." Und er ergänzt mit dem Zitat eines Literaturkritikers: „Wir müssen uns gegenseitig alles sagen, unter der Bedingung, dass jeder über seine eigne Schuld spricht." Rudolf Günther wurde 1931 geboren und teilte das Schicksal mit Tausenden, die als Flüchtling von Polen nach Deutschland kamen. Später lebte er in Syda mit anderen Jugendlichen auf einem ehemaligen Gut, wo er die Liebe zur Musik entdeckte.

Er lernte Trompete spielen und tat sich mit den anderen Jungen zusammen. Das schwierigste in dieser Zeit war, ein Instrument zu beschaffen, so Günther. Um später Klavier zu erlernen, kaufte er das Klavier des alten Schauspielers Harry Priel. Später machte Rudolf Günther in Potsdam eine Ausbildung in Religionsunterricht. Nach seiner Ausbildung wurde er in Woltersdorf und in Zülichendorf als Katechet für die Christenlehre eingesetzt.

Schwierigkeiten überwunden

An seiner neuen Wirkungsstätte wollte er ebenso mit anderen musizieren. Allerdings fehlte es an Instrumenten. Außerdem ist es herausfordernd, ein Blasinstrument zu spielen. Es dauert lange, einen vernünftigen Ton herauszubekommen. Doch seine Bläser gingen mit Elan an die Sache und überwanden alle Schwierigkeiten.

Bald erklangen in Zülichendorf die ersten geblasenen Lieder. Es dauert nicht lange, bis sie Anschluss zu anderen Bläsergruppen fanden, so wie zu der in Frankenfelde.

Rudolf Günther erinnert sich noch gut an den Kirchentag am 3. August 1961 in Westberlin. Damals gab es noch keine Grenze zwischen Ost und West. Der Posaunenchor machte sich auf die Reise und alle freuten sich auf das bevorstehende Ereignis. Sie stiegen in Buchholz in den Zug nach Berlin, doch der Zug fuhr nicht.

Die Polizei holte die Zülichendorfer Musiker aus dem Zug. Es gab keinen Auftritt im Westen.

1962 begann Rudolf Günther sein Theologiestudium in Berlin. Damit die Arbeit mit dem Posaunenchor fortgesetzt werden konnte übernahm der Pfarrer aus Pechüle die die Arbeit mit den Musikern.

Zu den ersten Mitglieder gehörte Otto Zienicke. 

Chor ins Leben gerufen

1989 lebte Rudolf Günther schon in Ragösen. Dort leitete er den Männerchor. Da das kulturelle Leben in Zülichendorf nach der Wende fast zum Erliegen gekommen war, wollte er dort einen Chor ins Leben rufen. Die erste Chorprobe fand am 2. November 1992 im Saal der Gaststätte der Familie Rosin statt, später wurde in der Schule geprobt. Günther suchte die Lieder aus, zuerst einfache, später wurde mehrstimmig gesungen. Nach 15 Jahren löste sich der Chor auf.

Von Margrit Hahn