Das starke Nickertkind


Der Nickert ist ein kleines, altes und häßliches Männchen, das im Wasser wohnt, in Gräben und Flüssen. Er hat kleine Menschenkinder sehr gern. Wenn er sie stehlen kann, so tut er es. Aber die Kinderchen müssen noch ungetauft sein, sonst hat er keine Macht mehr über sie. Wenn er ein Menschenkind raubt, dann schiebt er sein eigenes häßliches Kind unter. Die Nickertkinder sind sehr klein, werden nicht groß, aber haben breite und große Köpfe. Sie sind oft sehr stark und haben mehr Kraft als drei Männer zusammen. 

 

In Zülichendorf ist einmal ein größeres Nickertkind gewesen. Das war ganz verwahrlost. Es war schmutzig und lebte fast wie ein Tier. Dieser Nickertbalg war mächtig stark. Das durften aber die Menschen nicht wissen. Er hat sich jedoch verraten. Einmal kam der Knecht des Bauern, bei dem das Nickertkind zu Hause war, mit einem schwer beladenen Wagen voll Getreide nach Hause. Er fuhr gegen den Torpfosten und konnte nicht wieder loskommen. Das sah das Nickertkind. Es fragte den Knecht: „Soll ich dir helfen?“ Der Knecht aber fragte: „Ach, du dummes Quark, das soll dir wohl schwer fallen!“ Da lief das Nickertkind hin und schob den Wagen mit einem kräftigen Ruck in das richtige Geleis. 

Aber nun hatte es seine Kraft gezeigt und sich verraten. Drum war es nach drei Tagen verschwunden und wurde nie mehr wiedergesehen. 

 

Quelle: „Sagen des Kreises Jüterbog – Luckenwalde“, Rühlmann & Bühnemann, 1937