20.10.2021

Woltersdorf: Bürger fordern schnelles Internet


Woltersdorf in Nuthe-Urstromtal boomt: Immer mehr Menschen ziehen in den Ort, der fünf Minuten von der Kreisstadt entfernt liegt. Doch in einer Straße gibt es nur Steinzeit-Internet.

So altmodisch wie die überirdischen Stromkabel ist in der Grünstraße in Woltersdorfer auch die Internetverbindung.

Quelle: Victoria Barnack

Woltersdorf. Dass sie abgehängt sind, können die Woltersdorfer eigentlich nicht behaupten: Bis zur Kreisstadt brauchen sie nur fünf Minuten, sie haben einen eigenen Bahnhof, eine Kita, eine gutausgestattete Feuerwehr und einen direkten Anschluss an die dreispurige Bundesstraße 101. Doch die Anwohner der Grünstraße in Woltersdorf fühlen sich abgehängt – und das mit Recht. Denn Home-Office ist dort auch im Jahr 2021 nicht möglich. Fernsehen übers Internet? Fehlanzeige. In den Abendstunden lädt oft nicht einmal die einfachste Webseite, berichten die Anwohner. Nun wollten die Bürger, dass ihre Straße in das bundesweite Breitband-Förderprogramm aufgenommen wird – doch ihr Kampf entpuppt sich als wenig erfolgversprechend.

Die Grünstraße ist eine ruhige Nebenstraße im beliebten Ortsteil Woltersdorf. Quelle: Victoria Barnack

Noch gar nicht selbst Anwohner und trotzdem schon betroffen ist Enrico Thiede. Derzeit wohnt er mit seiner Familie in Borkheide (Potsdam-Mittelmark). „Wir sanieren mein Elternhaus in der Grünstraße“, sagt er.

 Nach vielen erfolgreichen Berufsjahren in München hat er sich für den Schritt zurück in seine Heimat entschieden und würde das auch nicht bereuen, wäre da nicht das Problem mit dem Internet. „In Borkheide habe ich eine 100.000er Leitung“, berichtet er.  „Ich arbeite viel aus dem Home-Office. Dafür ist diese Geschwindigkeit genau richtig. Deshalb hätte ich meinen Vertrag gern mit nach Woltersdorf genommen. Aber hier kann man mir statt 100 nur sechs Mbit anbieten. Das geht gar nicht“, sagt er.

Kein schnelles Internet in der Grünstraße in Woltersdorf

Das Problem liegt nicht an Thiedes Anbieter. Auch die Konkurrenten auf dem Markt liefern in der Grünstraße keine höheren Geschwindigkeiten – bis auf einen. Auf Nachfrage beim Landkreis erfuhr die MAZ, dass ein Unternehmen aus Brandenburg zwischen 30 und 50 Mbit pro Sekunde in der Grünstraße verspricht. Damit wäre das Gebiet zumindest auf dem Papier kein „weißer Fleck“ mehr und fällt aus dem Bundesprogramm heraus, für das der Landkreis bald mehr als 70 Millionen Euro ausgeben will.

Das Unternehmen hatte vor mehr als zehn Jahren einen ersten Breitband-Vorschub in Nuthe-Urstromtal umgesetzt und sich damit eine Art Monopol-Stellung in der Gemeinde erarbeitet. Bis jetzt ist es in einigen Ortsteilen der einzige Anbieter, der eine für aktuelle Standards akzeptable Internetgeschwindigkeit anbietet. In der Realität der Grünstraße sieht das offenbar anders aus. Thiede hat sich in seiner Verzweiflung an die Gemeindeverwaltung gewandt. Auch

dort gibt es eine Mitarbeiterin, die sich um den Breitbandausbau kümmert. Immer wieder erreichen sie Fragen zu dem Thema, berichtet Christiane Heine. „Einige Straßen konnten inzwischen für das Förderprogramm Breitband nachgemeldet werden“, erklärt sie, „die Grünstraße leider nicht.“

Ein Speedtest in der Woltersdorfer Grünstraße würde helfen

Das Problem: Ein Kunde des brandenburgischen Anbieters, der in der betroffenen Straße einen Anschluss hat, müsste online einen sogenannten Speedtest machen. Dabei wird innerhalb weniger Sekunden geprüft, welche Geschwindigkeit tatsächlich in den Häusern ankommt. Messungen in anderen Ortsteilen hätten ergeben, dass der Versorger die versprochene Mbit-Zahl nicht liefern kann, berichtet Heine. Die Krux: In der Grünstraße in Woltersdorf hat kein einziger Anwohner einen Vertrag mit dem Unternehmen. Dass niemand allein für diesen Test einen Vertrag abschließen möchte, kann auch die Verwaltungsmitarbeiterin verstehen.

In TFs Nachbarkreisen wie hier in Potsdam-Mittelmark wird bereits schnelles Internet verlegt. Quelle: Johanna Uminski

Auch vom Landkreis fühlen sich die Anwohner im Stich gelassen. Denn der hatte erst kürzlich eine Kooperationsvertrag mit allen Gemeinden unterschrieben und soll sich künftig in ihrem Namen um die

Breitbandversorgung kümmern. Doch Marcel Penquitt vom Landkreis und seine Kollegin können nicht aktiv werden. Das Unternehmen müsste selbst erklären, dass es die angebotene Versorgung tatsächlich nicht liefern kann, sagt er der MAZ. In Märtensmühle sei das beispielsweise so geschehen.

Märtensmühle wurde in das Förderprogramm aufgenommen

Der ganze Ort wurde daraufhin nachträglich in das Förderprogramm aufgenommen. „In der Grünstraße hält der Anbieter allerdings bis jetzt an seinem Versprechen fest“, sagt Penquitt. Das gelte solange als Tatsache, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Für Enrico Thiede ist das alles eine Farce.

An seinem aktuellen Wohnort in Borkheide wurde genau das Glasfaserkabel, das in der Grünstraße fehlt, erst im Sommer verlegt. Selbst wenn in Woltersdorf nun ein Weg gefunden wird, die Straße in das millionenschwere Förderprogramm aufzunehmen, dürfte der Bau noch Jahre dauern.

Nuthe-Urstromtal wird spätestens 2024 angeschlossen

Im Breitbandprogramm ist Nuthe-Urstromtal erst als eine der letzten Gemeinden im Jahr 2024 für den Anschluss vorgesehen. „Wie kann es sein, dass eine berlinnahe Region so abgehängt ist?“, fragt sich Thiede.

„Ein Zeitraum von drei Jahren ist einfach utopisch. 2021 muss mehr möglich sein.“ Eine Nachfrage der MAZ bei dem Unternehmen zu deren Angebot in der Grünstraße blieb ohne Antwort.

Von Victoria Barnack