18.10.2021

Nachgefragt: Was bringt die Biker-Sperrung in        Nuthe-Urstromtal?


Jedes Jahr sterben Menschen in Nuthe-Urstromtal (Teltow-Fläming), weil Motorradfahrer viel zu schnell unterwegs sind. Seit wenigen Wochen herrscht deshalb eine saisonale Sperrung.

Die MAZ hat bei Polizei und Anwohnern nachgefragt, ob das etwas bringt.

Auf der Strecke zwischen Hennickendorf und Ahrensdorf passieren immer wieder schwere Motorradunfälle. Deshalb gilt seit September eine saisonale Sperrung. Quelle: Victoria Barnack

Hennickendorf. „Für uns ist damit ein kleines Zwischenziel im jahrelangen Kampf erreicht“, sagt Jovita Galster-Döring. Die Ortsvorsteherin von Hennickendorf wird wie ihre Nachbarn von lauten, oft zu schnellen Motorradfahrer geplagt.

Doch seit einigen Wochen gilt auf der Strecke zwischen Hennickendorf und Ahrensdorf ein saisonales Fahrverbot (die MAZ berichtete). Für Biker ist die Gemeindestraße seitdem an Sonn- und Feiertagen zwischen 6 und 22 Uhr tabu. Auf MAZ-Nachfrage bestätigt Galster-Döring tatsächlich einen positiven Effekt. „Wir merken seit der Sperrung, dass es zumindest in Hennickendorf an den Wochenenden erheblich leiser ist“, sagt sie.

Die Gemeinde hat Risse in der Straße repariert. Quelle: Victoria Barnack

Einen Einfluss soll bereits eine andere Maßnahme der Gemeinde gehabt haben: Die Risse in der Straße wurden nicht aufwendig saniert, sondern nur mit einem Gemisch verfüllt. Seitdem ruckelt es, wenn die Fahrerdarüber rollen.

Das könnte die gesamte Strecke für Biker unattraktivgemacht haben.

Jovita Galster-Döring ist Ortsvorsteherin von Hennickendorf. Quelle: Margrit Hahn

Schon seit Jahren beschweren sich Anwohner aus mehreren Dörfern in Nuthe-Urstromtal, dass Motorradfahrer ihre Heimat als Raserstrecke missbrauchen. Ausschlaggebend für die saisonale Sperrung war aber nicht der Lärm. „Maßgeblich waren die tödlichen Unfälle, die es leider immer wieder gab“, berichtet Jovita Galster-Döring. Ohne die Todesfälle hätte das Straßenverkehrsamt die Einschränkung wohl nicht genehmigt. Auf MAZ-Anfrage bestätigt die Polizei auch in diesem Jahr mehrere tödliche Motorradunfälle in Nuthe-Urstromtal. Seit April sei es zwischen Ahrensdorf und Hennickendorf zu zwei Unfällen unter Beteiligung von Motorrädern gekommen, heißt es in der Antwort. „Während ein Unfall einen tödlichen Verlauf zur Folge hatte, wurden bei dem zweiten zwei Kradfahrer leicht verletzt“, erklärt ein Sprecher.

Polizei erwischte 250 Raser an einem Wochenende

Einen nachweisbaren Effekt für die Sicherheit auf der Straße kann die Polizei jedoch nicht bestätigen. „Es erfolgt keine gesonderte statistische Erhebung über die Anzahl der festgestellten Verstöße im besagten Streckenabschnitt“, heißt es weiter. An einem Wochenende im Mai hatte die Polizei fast 250 Raser zwischen Hennickendorf und Ahrensdorf erwischt. 160 davon waren Motorradfahrer. Der traurige Spitzenreiter war mit 177 bei erlaubten 50km/h unterwegs. Bei deutlich schlechterem Wetter kontrollierten die Beamten vor einer Woche erneut am selben Standort. Sie trafen zehn Biker, die die neue saisonale Sperrung ignorierten.

Die neue Regelung gilt nur an Sonn- und Feiertagen zwischen 6 und 22 Uhr. Quelle: Victoria Barnack

Dass Nuthe-Urstromtal weiterhin beliebt bei den Motorradfahrern ist, kann auch Bürgermeister Stefan Scheddin (parteilos) bestätigen. Er berichtet, dass ihn immer wieder verärgerte und frustrierte Bürger an den Wochenende anrufen und um Hilfe bitten. „Einmal habe ich mich selbst an die Straße gestellt“, erzählt er. „Drei Motorradfahrer konnte ich zum Umdrehen bewegen.“

Jetzt klagen Nachbardörfer über mehr Biker

In den Nachbardörfern schleicht sich inzwischen der Verdacht ein, dass die Biker jetzt auf andere Strecken ausweichen. „Jetzt fahren sie durch Ruhlsdorf, um nach Dobbrikow zu kommen“, erklärte Gero Jänicke kürzlich.

Das Dorf ist mittlerweile zwar wegen einer Straßensanierung gesperrt, doch der Ortsvorsteher befürchtet, dass das grundsätzliche Problem in der Gemeinde nur verlagert wurde. Tatsächlich gab es wenige Tage nach Aufstellen der Sperrschilder wieder einen tödlichen Motorradunfall – dieses Mal zwischen Hennickendorf und Dobbrikow (die MAZ berichtete). Die Polizei wiederum kann das Gefühl der Anwohner nicht bestätigen. „Ein Anstieg bezüglich festgestellter Verstöße oder Unfälle auf den Neben- und Zufahrtsstrecken kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht erkannt werden“, erklärte ein Polizeisprecher.

Von Victoria Barnack